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Der Einfluss regulatorischer Veränderungen auf den Wert von MedTech-Unternehmen

Inette Nieveen, MSc

Die Medizintechnikbranche steht vor einem beispiellosen regulatorischen Umbruch, insbesondere durch den Übergang Europas von der Medical Device Directive (MDD) und der In-vitro Diagnostic Directive (IVDD) zur deutlich strengeren Medical Device Regulation (MDR) bzw. In-vitro Diagnostic Regulation (IVDR). Diese Veränderungen wirken sich grundlegend darauf aus, wie MedTech-Unternehmen bei Fusionen und Übernahmen (M&A) im Gesundheitswesen bewertet werden.

Immer mehr Unternehmen und Private-Equity-Firmen führen eine umfassende regulatorische Due Diligence durch, bevor sie Übernahmeentscheidungen treffen. In diesem Blog zeigen wir auf, wie sich regulatorische Veränderungen zunehmend auf die Unternehmensbewertung im MedTech-Sektor durch steigende Betriebskosten, Herausforderungen bei der Marktzulassung und langfristige Wertüberlegungen auswirken.

1. Steigende Betriebskosten

Die Einhaltung regulatorischer Anforderungen führt insbesondere für Unternehmen, die noch keine MDR- oder IVDR-Zertifizierung haben zu erheblich höheren Betriebsausgaben.

Die erweiterten Anforderungen an die technische Dokumentationen sowie strengere Anforderungen an klinische und Leistungsdaten bedeuten einen erheblichen zusätzlichen Aufwand. Darüber hinaus steigen die Anforderungen an die Marktüberwachung nach dem Inverkehrbringen (Post-Market Surveillance), der Bedarf an spezialisierten Regulatory-Expert:innen nimmt zu und die Gebühren für Benannte Stellen sind deutlich höher als zuvor.

Diese Kosten können die Margen um mehrere Prozentpunkte senken, was sich direkt auf die Unternehmensbewertung auswirkt.

2. Herausforderungen bei der Marktzulassung

Die regulatorischen Übergänge führen zu Unsicherheiten bei der Marktzulassung:

  • Zertifizierungsprobleme aufgrund begrenzter Kapazitäten der Benannten Stellen:
    Die Kapazitätsengpässe bei Benannten Stellen haben zu erheblichen Rückständen geführt. Die Bearbeitungszeiten haben sich von 6–9 Monaten (unter MDD) auf 12–18 Monate (unter MDR) verlängert. Vergleichbare Verzögerungen gelten auch für IVDs. Dies beeinflusst die Time-to-Market und die Umsatzerfassung neuer Produkte direkt.
  • Portfolioentscheidungen. Wirtschaftliche Analysen zeigen häufig, dass sich Investitionen in die MDR-/IVDR-Konformität für bestimmte Altprodukte nicht mehr lohnen. Schätzungen zufolge werden 20–30 % dieser Produkte vom Markt genommen, was zu Marktlücken und Umsatzeinbußen führt.
  • Altprodukte und IVDs im Spannungsfeld neuer Anforderungen:
    Neue regulatorische Anforderungen führen häufig zu Lücken in der technischen Dokumentation bestehender Produkte. Deren Behebung erfordert zusätzliche Kosten für Redesign, Verifikationen und Validierungen.
  • Geografische Einschränkungen bei der Marktzulassung:
    Einige außereuropäische Märkte übernehmen MDR- oder IVDR-ähnliche Anforderungen. Unternehmen müssen dann komplexe Entscheidungen über geografische Prioritäten treffen, oft mit dem Ergebnis, dass kleinere Märkte aufgegeben werden.
  • Wettbewerbsnachteile nicht-konformer Produkte:
    Der regulatorische Übergang eröffnet temporäre Chancen für Marktanteilsverschiebungen. Unternehmen mit früher MDR- oder IVDR-Zertifizierung können Vorteile nutzen und Marktanteile von Wettbewerbern mit Zertifizierungsverzögerungen übernehmen.

Die gleichzeitigen Belastungen durch höhere regulatorische Kosten und den Preisdruck im Gesundheitswesen führen zu Margenkompression. Unternehmen stehen vor der Wahl: Entweder die Kosten selbst tragen (was die Profitabilität schmälert) oder an Kund:innen weitergeben (was das Absatzvolumen gefährden kann).

Unternehmen mit hohen Bewertungen betrachten regulatorische Exzellenz nicht nur als Compliance-Aufgabe, sondern als strategischen Vorteil, integriert in Geschäftsstrategie und Wachstumspläne.

3. Langfristige Wertüberlegungen

Über kurzfristige Compliance-Kosten hinaus hat die regulatorische Positionierung erhebliche Auswirkungen auf den langfristigen Unternehmenswert. Der regulatorische Wandel zwingt Unternehmen zur Bewertung und Neuausrichtung ihres Portfolios, mit Investitionen in margenstarke Produkte und der Abgabe weniger profitabler Altprodukte.

  • Stabile regulatorische Systeme als Wettbewerbsvorteil:
    Dank geringerer Compliance-Risiken und nachhaltiger Marktzulassung erzielen Unternehmen mit robusten regulatorischen Strukturen höhere Bewertungen.
  • Portfoliooptimierung:
    Die regulatorischen Anforderungen führen zu einer gezielten Fokussierung auf wertschöpfende Produkte. Auch wenn dies kurzfristig zu Umsatzverlusten führt, kann es den Gesamtwert des Unternehmens steigern.
  • MDR als Eintrittsbarriere:
    Die hohen Kosten und Anforderungen der MDR erhöhen die Markteintrittsbarrieren und schützen somit die Marktposition der Unternehmen, die diese Hürden erfolgreich gemeistert haben.
  • Wert regulatorischer Talente:
    Unternehmen, die den regulatorischen Wandel erfolgreich gemeistert haben, verfügen über wertvolles Fachpersonal. Diese regulatorische Expertise ist besonders angesichts des Branchendefizits an qualifizierten Fachkräften ein wichtiger Faktor bei der Unternehmensbewertung.

Strategische Empfehlungen

Für Private-Equity-Unternehmen, die den Wert von MedTech-Unternehmen bei M&A-Aktivitäten im Gesundheitswesen maximieren möchten:

  • Regulatorische Compliance als strategische Investition begreifen – nicht nur als Kostenfaktor.
  • Klare Sanierungsfahrpläne mit realistischen Zeitplänen und Budgets entwickeln.
  • Portfolios gezielt prüfen und Ressourcen auf konforme, margenstarke Produkte lenken.
  • Regulatorische Exzellenz fest in Unternehmenskultur und Prozesse integrieren.

Die regulatorische Landschaft hat die Bewertung von MedTech-Unternehmen dauerhaft verändert. Unternehmen, die regulatorische Exzellenz nicht als Bürde, sondern als strategische Chance verstehen, werden bei M&A-Transaktionen künftig deutlich höhere Bewertungen erzielen.

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