Die
Medizintechnikbranche steht vor einem beispiellosen regulatorischen Umbruch, insbesondere
durch den Übergang Europas von der Medical Device Directive (MDD) und der
In-vitro Diagnostic Directive (IVDD) zur deutlich strengeren Medical Device
Regulation (MDR) bzw. In-vitro Diagnostic Regulation (IVDR). Diese
Veränderungen wirken sich grundlegend darauf aus, wie MedTech-Unternehmen bei
Fusionen und Übernahmen (M&A) im Gesundheitswesen bewertet werden.
Immer mehr
Unternehmen und Private-Equity-Firmen führen eine umfassende regulatorische Due
Diligence durch, bevor sie Übernahmeentscheidungen treffen. In diesem Blog
zeigen wir auf, wie sich regulatorische Veränderungen zunehmend auf die
Unternehmensbewertung im MedTech-Sektor durch steigende Betriebskosten,
Herausforderungen bei der Marktzulassung und langfristige Wertüberlegungen
auswirken.
1. Steigende
Betriebskosten
Die Einhaltung
regulatorischer Anforderungen führt insbesondere für Unternehmen, die noch
keine MDR- oder IVDR-Zertifizierung haben zu erheblich höheren Betriebsausgaben.
Die erweiterten
Anforderungen an die technische Dokumentationen sowie strengere Anforderungen
an klinische und Leistungsdaten bedeuten einen erheblichen zusätzlichen
Aufwand. Darüber hinaus steigen die Anforderungen an die Marktüberwachung nach
dem Inverkehrbringen (Post-Market Surveillance), der Bedarf an spezialisierten
Regulatory-Expert:innen nimmt zu und die Gebühren für Benannte Stellen sind
deutlich höher als zuvor.
Diese Kosten
können die Margen um mehrere Prozentpunkte senken, was sich direkt auf die
Unternehmensbewertung auswirkt.
2.
Herausforderungen bei der Marktzulassung
Die
regulatorischen Übergänge führen zu Unsicherheiten bei der Marktzulassung:
- Zertifizierungsprobleme aufgrund
begrenzter Kapazitäten der Benannten Stellen:
Die Kapazitätsengpässe bei Benannten Stellen haben zu erheblichen
Rückständen geführt. Die Bearbeitungszeiten haben sich von 6–9 Monaten
(unter MDD) auf 12–18 Monate (unter MDR) verlängert. Vergleichbare
Verzögerungen gelten auch für IVDs. Dies beeinflusst die Time-to-Market
und die Umsatzerfassung neuer Produkte direkt.
- Portfolioentscheidungen. Wirtschaftliche Analysen zeigen häufig, dass sich Investitionen in die
MDR-/IVDR-Konformität für bestimmte Altprodukte nicht mehr lohnen.
Schätzungen zufolge werden 20–30 % dieser Produkte vom Markt genommen, was
zu Marktlücken und Umsatzeinbußen führt.
- Altprodukte und IVDs im Spannungsfeld
neuer Anforderungen:
Neue regulatorische Anforderungen führen häufig zu Lücken in der
technischen Dokumentation bestehender Produkte. Deren Behebung erfordert
zusätzliche Kosten für Redesign, Verifikationen und Validierungen.
- Geografische Einschränkungen bei der
Marktzulassung:
Einige außereuropäische Märkte übernehmen MDR- oder IVDR-ähnliche
Anforderungen. Unternehmen müssen dann komplexe Entscheidungen über
geografische Prioritäten treffen, oft mit dem Ergebnis, dass kleinere
Märkte aufgegeben werden.
- Wettbewerbsnachteile nicht-konformer
Produkte:
Der regulatorische Übergang eröffnet temporäre Chancen für
Marktanteilsverschiebungen. Unternehmen mit früher MDR- oder
IVDR-Zertifizierung können Vorteile nutzen und Marktanteile von
Wettbewerbern mit Zertifizierungsverzögerungen übernehmen.
Die
gleichzeitigen Belastungen durch höhere regulatorische Kosten und den
Preisdruck im Gesundheitswesen führen zu Margenkompression. Unternehmen stehen
vor der Wahl: Entweder die Kosten selbst tragen (was die Profitabilität
schmälert) oder an Kund:innen weitergeben (was das Absatzvolumen gefährden
kann).
Unternehmen mit
hohen Bewertungen betrachten regulatorische Exzellenz nicht nur als
Compliance-Aufgabe, sondern als strategischen Vorteil, integriert in
Geschäftsstrategie und Wachstumspläne.
3.
Langfristige Wertüberlegungen
Über kurzfristige
Compliance-Kosten hinaus hat die regulatorische Positionierung erhebliche
Auswirkungen auf den langfristigen Unternehmenswert. Der regulatorische Wandel
zwingt Unternehmen zur Bewertung und Neuausrichtung ihres Portfolios, mit
Investitionen in margenstarke Produkte und der Abgabe weniger profitabler
Altprodukte.
- Stabile regulatorische Systeme als
Wettbewerbsvorteil:
Dank geringerer Compliance-Risiken und nachhaltiger Marktzulassung
erzielen Unternehmen mit robusten regulatorischen Strukturen höhere
Bewertungen.
- Portfoliooptimierung:
Die regulatorischen Anforderungen führen zu einer gezielten Fokussierung
auf wertschöpfende Produkte. Auch wenn dies kurzfristig zu Umsatzverlusten
führt, kann es den Gesamtwert des Unternehmens steigern.
- MDR als Eintrittsbarriere:
Die hohen Kosten und Anforderungen der MDR erhöhen die
Markteintrittsbarrieren und schützen somit die Marktposition der
Unternehmen, die diese Hürden erfolgreich gemeistert haben.
- Wert regulatorischer Talente:
Unternehmen, die den regulatorischen Wandel erfolgreich gemeistert haben,
verfügen über wertvolles Fachpersonal. Diese regulatorische Expertise ist
besonders angesichts des Branchendefizits an qualifizierten Fachkräften
ein wichtiger Faktor bei der Unternehmensbewertung.
Strategische
Empfehlungen
Für
Private-Equity-Unternehmen, die den Wert von MedTech-Unternehmen bei
M&A-Aktivitäten im Gesundheitswesen maximieren möchten:
- Regulatorische Compliance als
strategische Investition begreifen – nicht nur als Kostenfaktor.
- Klare Sanierungsfahrpläne mit
realistischen Zeitplänen und Budgets entwickeln.
- Portfolios gezielt prüfen und
Ressourcen auf konforme, margenstarke Produkte lenken.
- Regulatorische Exzellenz fest in
Unternehmenskultur und Prozesse integrieren.
Die
regulatorische Landschaft hat die Bewertung von MedTech-Unternehmen dauerhaft
verändert. Unternehmen, die regulatorische Exzellenz nicht als Bürde, sondern
als strategische Chance verstehen, werden bei M&A-Transaktionen künftig
deutlich höhere Bewertungen erzielen.